Stephan Retterath (Bündnis 90 / Die Grünen), Kandidat für das Bürgermeisteramt der VG Mendig

MENDIG. Dass Stephan Retterath überhaupt kandidiert, ist der Tatsache geschuldet, dass sich von SPD-Seite kein Gegenkandidat zum bestehenden Amtsinhaber Jörg Lempertz (CDU) finden ließ.

„Eine Demokratie lebt von Alternativen“, gibt er sich entrüstet und klopft auf das Recht des mündigen Bürgers, eigenständige Entscheidungen treffen zu können. Nun haben die Mendiger am 24. September tatsächlich die Wahl: Herausforderer Retterath (Bündnis 90 / Die Grünen) gibt klare Kanten und spricht auch Unbequemes aus: Dass Einsparungen in der Verwaltung Arbeitsplätze kosten können, dass die Verbandsgemeinden wahrscheinlich langfristig zusammengelegt werden und dass Lokalpolitiker für Verhandlungen mit Wirtschaftsgrößen oftmals überfordert sind.

AM WOCHENENDE hat Stephan Retterath zu Themen wie Wirtschaft, Verwaltung und Bürgerbeteiligung gefragt.

 

Einer Ihrer Themenschwerpunkte ist die Selbstständigkeit der Ortsgemeinden. Sie bemängeln die VG-Umlage. Warum?

Stefan Retterath: Weil sie schlicht und ergreifend ungerechtfertigt ist. Im Vergleich zum Kreisdurchschnitt ist die VG-Umlage mit 38 Prozent relativ hoch. Die Gemeinden leiden darunter.

Die Verbandsgemeinde erwirtschaftet Überschüsse, was aber nicht ihre originäre Aufgabe ist. Dadurch nimmt sie den Ortsgemeinden die Möglichkeit, ihre Zukunft selbst in die Hand zu nehmen.

Die wissen jedoch am ehesten, wo der Schuh drückt. Die Verbandsgemeinde hat den Gemeinden zu dienen, nicht umgekehrt. Hier werden Ross und Reiter verwechselt. Das derzeitige Selbstverständnis der Verwaltungsspitze ist so nicht akzeptabel.

 

Stichwort: Verwaltung. Welche Einsparmöglichkeiten sehen Sie?

Stefan Retterath: Erst einmal sollten von Seiten des Landesrechnungshofes bzw. intern jegliche Ausgaben auf Sinnhaftigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden.

Dementsprechend werden wir dann ohne Wenn und Aber handeln. Zudem ist von Seiten des Landes langfristig die Zusammenlegung der Verbandsgemeinden geplant. Das befürworte ich.

Ebenso einen ggf. notwendigen Umzug in eine neue „Generalverwaltung“. Dadurch ließen sich Bürokratie und Kosten einsparen.

Im Gegenzug sollte man dann darüber nachdenken, einen hauptamtlichen Bürgermeister an die Spitze der Stadt Mendig zu stellen und so seine Arbeit zu professionalisieren. Dieses Szenario erscheint mir allerdings zum jetzigen Zeitpunkt noch Zukunftsmusik.

Derzeit wird die Diskussion um die Erweiterung des Gebäudes der VG-Verwaltung ad absurdum geführt.

Die Stadt Mendig hat mit Mitteln der Innenstadtsanierung eine Immobilie erworben und wird diese, vertraglich vereinbart, zum Selbstkostenpreis an die Verbandsgemeinde abgeben.

Diese plant nun dort wiederum mit Fördergeldern des Landes eine Erweiterung ihrer Verwaltung. Abgesehen von den rechtlichen Bedenken, frage ich mich, ob solch ein Vorgehen, wohlgemerkt unter vollständigem Ausschluss der Öffentlichkeit, unserer Innenstadtentwicklung dient.

Ich nenne das Zweckentfremdung von Fördergeldern, die anderswo dringender gebraucht werden.

 

Widerspricht eine Professionalisierung nicht Ihrem propagierten Sparprinzip?

Stephan Retterath: Nein. Professionalisierung heißt Steigerung der Effizienz. D.h. mit weniger Verwaltungsaufwand mehr erreichen.

Dass es dabei ggf. auch zum Abbau von Arbeitsplätzen kommen kann, ist ein notwendiges Übel.

Im Gegenzug könnten wir uns dann auch einen hauptamtlichen Stadtbürgermeister leisten. Dann hätten wir nicht mit diesem Dilettantismus zu kämpfen.

Nehmen wir einmal die Rock-am-Ring-Veranstaltung. Die hat den Steuerzahler mindestens 1,2 Millionen Euro gekostet.

Wir müssen uns den Vorwurf gefallen lassen, dass man uns in den Verhandlungen über den Tisch gezogen hat beziehungsweise wir ohne Not die Hose runter gelassen haben.

Wie ist es sonst zu erklären, dass u.a. originär dem Veranstalter zufallende Aufgaben wie Umwelt- und Sicherheitskonzept freiwillig von unserer Verwaltung geleistet wurden?

 

Wo sehen Sie in der Verbandsgemeinde wirtschaftliches Entwicklungspotential?

Stephan Retterath: Eigentlich sollten uns mit dem Gewerbegebiet am Flugplatz auf lange Sicht genügend Flächen zur wirtschaftlichen Entwicklung zur Verfügung stehen. Das war der Plan.

Dem ist allerdings augenscheinlich nicht so. Das Konversionsprojekt, in das mittlerweile Millionen an öffentlichen Geldern geflossen sind, hat sich tatsächlich rentiert – allerdings nur für einen: die Betreibergesellschaft Triwo.

Deren Geschäftsmodell sieht folgendermaßen aus: Umwandlung von Steuergeld in Privatvermögen einiger weniger Anteilseigner.

Weder hat die Triwo ihre Verpflichtung eingehalten, beispielsweise 800 neue Arbeitsplätze zu schaffen, noch stellt sie interessierten Unternehmen geeignete Flächen zur Verfügung.

Es muss verhindert werden, dass solch ein Vertrag in dieser Form verlängert wird.

 

Wenn Sie Bürgermeister werden, was möchten Sie ändern?

Stephan Retterath: Ich würde die Bürger stärker in Entscheidungsprozesse einbinden. Dazu müsste eine gläserne Verwaltung geschaffen werden, die Vorhaben und Beschlüsse der Gremien transparent und dadurch nachvollziehbar macht.

Zudem würde ich gerne die Diskussion anstoßen, ob wir nicht besser daran täten, uns zu konsolidieren.

Brauchen wir tatsächlich neue Baugebiete? Sollten wir nicht stattdessen die alten Dorfkerne sanieren, die Infrastruktur verbessern und die einzigartige Landschaft schützen?

Wir müssen jetzt erst einmal Sorge dafür tragen, dass wir als Gemeinden zukunftsfähig bleiben und wir unseren Kindern und Enkeln nicht immer mehr Schulden aufbürden.

Kurzvita Stephan Retterath

Stephan Retterath wurde 1974 in Niedermendig geboren, ist verheiratet, hat zwei Kinder und ist seit 2010 als selbstständiger Schreiner / Diplomrestaurator in der Denkmalpflege in Mendig ansässig. In seinem Betrieb beschäftigt er drei Mitarbeiter in Vollzeit, drei in Teilzeit und eine Auszubildende. Seit 2014 ist er Fraktionsvorsitzender der Grünen im Mendiger Stadtrat.

 

Das Gespräch führte Edith Billigmann.