LEUTESDORF. -nsc- Mit Schicksalsschlägen kennt sich Simone Osteroth aus. Doch das merkt man der Frau, die so viel Stärke und Freundlichkeit ausstrahlt, nicht direkt an. Sie hat ihren Weg gefunden, ihre Trauer zu überwinden. Hat akzeptiert. Hat sie wiederentdeckt, ihre Freude. Lebt, freut sich – bewusster. Ihre Erfahrungen weiter zugeben und anderen Menschen zu helfen, hat sich die hauptberufliche Unternehmensberaterin zum Auftrag gemacht.

Simone Osteroth und ihr Mann nennen Leutesdorf noch gar nicht so lange ihr Zuhause, doch im Gepäck hatte die in Bochum aufgewachsene Frau eine Last aus der sie gelernt hat, Stärke zu ziehen.

„Wir haben uns so treiben lassen“, erzählt sie. Bei einer Wanderung sind Simone Osteroth und ihr Mann auf den kleinen Weinort aufmerksam geworden. „Wir haben eine Unterkunft gebraucht und hier eine kleine Pension gefunden. Drei Wochen nachdem wir wieder zu Hause am Niederrhein waren, rief uns der Pensionsbesitzer an und sagte, dass hier ein Haus zum Verkauf stehe“, erinnert sich Simone Osteroth. Recht spontan packten die beiden also ihre Habseligkeiten und zogen von Wesel nach Leutesdorf. Idyllisches Leben, könnte man denken.

Stehenbleiben . . .

Aber manchmal schlägt das Leben zu. Mit einer Härte, die richtig weh tut. Und manchmal gleich mehrfach. So auch bei Simone Osteroth: Der Tod des Lebensgefährten – das erste Mal trauern. Dann erkrankt sie selbst an Krebs. „Der Trauerprozess fühlt sich schlecht an, aber man kommt durch“, sagt sie erstaunlich optimistisch. „Danach fühlt man die Freude erst richtig. Aber es ist ein langer Weg dahin.“

Etwas später trifft sie ihren jetzigen Ehemann wieder. Die beiden hatten sich elf Jahre zuvor aus den Augen verloren. Alles passt. Die beiden heiraten, wollen eine Familie gründen. Kinder waren der Lebenstraum von Simone.

„Ich habe mir nie vorgestellt, das dieser Traum nicht in Erfüllung gehen könnte“, sagt Simone Osteroth.

2009 wird sie schwanger mit Tochter Anna. Doch ziemlich schnell stellte sich heraus: Anna wird ein Sternenkind sein. Ein Kind, das bereits während der Schwangerschaft oder kurz danach stirbt. Viel zu früh.

Nur ein Jahr später passiert das kleine Wunder: Simone ist wieder schwanger. Dieses Mal mit Zwillingen, Thomas und Felix. „Wir haben uns sehr gefreut direkt zwei Kinder zu bekommen. Es wäre sicherlich kein Ersatz gewesen, aber ein schöner Ausgleich“, sagt sie vorsichtig. Wäre . . .

Bis zum fünften Monat scheint alles perfekt. Dann: Schwangerschaftsabbruch – das Quäntchen zu viel. „Ich dachte, ich schaffe das nicht“, erinnert sich Simone Osteroth. „Aber nach drei Tagen ist mir bewusst geworden: Ich muss einfach nur durch dieses Gefühl durch.“

. . . innehalten . . .

Auch Neid gehöre zum Trauerprozess. „Warum haben andere Kinder und ich nicht“, sei für die dreifache Sternenkindmutter eine oft unausgesprochene Frage gewesen. Eine Frage, die Simone schnell leid wurde. „Ich wollte wieder dahin kommen, mich für andere freuen zu können“, erklärt sie. Und genau das gelang ihr durch Meditation. „Ich konnte meine Tränen der Trauer in Tränen der Freude verwandeln. Ich habe gelernt das Leben zu akzeptieren. Es als Geschenk anzusehen.“ Deshalb entschied sich Simone Osteroth eine Lehre zur Meditations- und Reikilehrerin zu machen, um auch andere Menschen zu unterstützen. So möchte sie unter anderem – wie bereits in ihrer alten Heimat – auch im Kreis Neuwied gerne wieder als ökumenische Seelsorgearbeiterin helfen.

Simone Osteroth

Neben meditieren half der neu zugezogenen Leutesdorferin bei der Trauerbewältigung auch das Pilgern, wie in Israel auf dem Berg Abel am See Genezareth.

Manchmal brauche man einen Input. Um die inneren Türen zu öffnen. Um ins Spüren zu kommen. „Wenn mein Herz das will, muss der Mut größer sein als die Angst. Erst wenn die Angst sich in Mut wandelt, kommt man ins tun.“ Doch das alleine zu schaffen, fällt gelegentlich schwer, weiß auch Simone Osteroth und möchte genau dabei helfen.

. . . weitergehen

Um ihre Trauer zu bewältigen bestritt Simone gemeinsam mit ihrem Mann 2013 auch den Jakobsweg von Leon nach Santiago de Compostela. Eine ganz besondere Station war für sie das Cruz de Ferro. Ein Ort an dem Pilger Steine von Zuhause ablegen. Auch das Paar hatte drei kleine Steine mitgebracht. Drei Steine mit Namen, die die beiden während eines Gottesdienstes für verstorbene Kinder erhielten. „Ich habe mich erst gefreut. Aber einen Tag vorher wurde mir ganz anders zu mute. Ich hatte Angst“, erzählt Simone. Doch ihr Mann sprach ihr gut zu: „Es ändere sich nichts, sagte er. Unsere Kinder sind in unserm Herzen“, erinnert sie sich. Also legte sie die Steine ab. „Es ist sehr emotional zurückzublicken, aber es war sehr befreiend“, sagt Simone mit einem feinen Hauch einer belegten Stimme. Sich umzudrehen und von den Steinen wegzugehen, sei das bewussteste was die Meditationslehrerin gemacht habe.

Auf ein ähnliches Erlebnis hoffte das Paar auch bei ihrer Pilgerreise 2017 auf dem Jesus Trail Israel, der von Nazareth nach Capernaum an den See Genezareth führt. Dieses Mal hatten Simone Osteroth und ihr Mann drei Bänder mit den Namen ihrer Kinder dabei. „Wir haben nach einem ähnlichen Ort wie dem Cruz de Ferro gesucht, an dem wir die Bänder zurücklassen konnten“, erklärt sie. „Doch irgendwie hat sich nichts ergeben.“ Erst am Ende der Reise ist ihr etwas bewusst geworden: Die Steine stehen für den Schmerz. Die Bänder sind ein Synonyme für die Liebe. „Und die Liebe konnten wir nicht zurücklassen“, sagt Simone. Deshalb nahm sie die Bänder auch wieder mit nach Hause.

„Ich bin nun glücklich im Leben. Mir fehlt nichts, wenn andere Menschen ihren Traum erfüllen“ – beeindruckende Worte einer beeindruckenden Frau . . .