KOBLENZ. Tiago sitzt strahlend auf seinem Bett. Die Kinderstation im Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein Kemperhof war in den jüngsten sieben Monaten sein Zuhause. Jetzt geht es wieder Richtung Heimat – nach Angola.

„Tiago ist im Mai 2016 über die Organisation Friedensdorf International zu uns gekommen. Damals war er in einem sehr schlimmen Zustand“, sagt Oberarzt Dr. Bernhard Rosenkranz. Eine bakterielle Knochenentzündung hatte sich in seinem gesamten Fersenbein und den angrenzenden Gelenken ausgebreitet. „Der erste Verbandwechsel war schlimm. Alles war verklebt und entzündet mit großen offenen Wunden und Hautdefekten“, erinnert sich der Oberarzt. „Hinzu kam hohes Fieber. Wir wussten damals nicht, ob wir den Fuß noch retten können.“ Zudem hatte man wohl in Angola die Verbandwechsel ohne Schmerzmittel oder Narkosen gemacht, so dass Tiago große Angst vor allen Maßnahmen hatte.

Abszesse mussten entlastet, entzündete Knochenanteile entfernt und zusätzlich eine hoch dosierte Antibiotikabehandlung bei sehr hartnäckigen Keimen gegeben werden. Die Gelenke wurden zeitweise mit einem Fixateur extern ruhiggestellt, damit die Osteomyelitis zur Ruhe kam. „Sieben Monate hat sich unser Team in der Kinderklinik liebevoll um Tiago gekümmert. Hier darf man nicht nur den medizinischen Aspekt sehen“, so Chefarzt Privatdozent Dr. Thomas Nüßlein. „Auch menschlich ist das eine Herausforderung.“

Sieben Operationen hat Tiago in der Orthopädie und Unfallchirurgie, Hand- und Wiederherstellungschirurgie des Kemperhofs hinter sich. Zeit- und kostenaufwendige Operationen, die Dr. Rosenkranz mit seinem Team teilweise auch am Wochenende durchgeführt hat, um den „normalen OP-Ablauf“ nicht zu stören. „Wir machen das hier auch in unserer Freizeit“, meint der engagierte Unfallchirurg und Spezialist für Kindertraumatologie. Die Sprunggelenke bleiben allerdings eingesteift. Hier kam vom Koblenzer Sanitätshaus Thönnissen Hilfe. Es spendete einen sogenannten Arthrodesenschuh, mit dem der Junge wieder normal gehen kann.

Dass solche Hilfsaktionen möglich sind, ist dem Friedensdorf International zu verdanken. Helfer vor Ort suchen nach Kindern, denen aus medizinischer Sicht in ihren Heimatländern nicht mehr geholfen werden kann. „Tiago hätte ohne die Behandlung hier seinen Unterschenkel verloren“, bestätigt Dr. Rosenkranz. Die Hilfsorganisation arbeitet mit vielen Krankenhäusern zusammen, die die Kinder direkt vom Flughafen kommend aufnehmen (Infos unter www.friedensdorf.de). Die Häuser bekommen keine Vergütung für die teuren und aufwändigen Behandlungen und meist sehr langen Aufenthalte der Kinder. Spendengelder decken nur einen kleinen Teil der Kosten, die ansonsten das Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein übernimmt. Die Kinderklinik im Kemperhof ist daher dankbar für jede Unterstützung.

Tiago macht sich darüber allerdings keine Gedanken. Er freut sich nur riesig, jetzt in das Friedensdorf nach Oberhausen zu kommen. Dort wird er Kinder treffen, die mit ihm auf den Rückflug in die Heimat warten. Es wird wahrscheinlich Mai werden, bis Tiago von seinen Eltern und seiner großen Familie in Angola wieder in die Arme geschlossen werden kann. Jährlich gibt es nur zwei Flüge, die die Kinder nach Hause bringen. Wann das nächste Friedensdorfkind im Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein eintreffen wird, ist noch ungewiss. Aber sicher ist, dass hier den kleinen Patienten ein neues und besseres Leben geschenkt werden kann.