ZELL. -edb- Der Cartoonist Andreas Brandt (53) ist ein Wanderer zwischen den Welten: Im schrillen Berlin holt er sich Anregungen aus dem pulsierenden Leben einer Großstadt, im kleinen Moselort Zell kehrt er zurück zu heimatlichen Gefühlen, auch wenn es nie seine Heimat war.

Geboren und aufgewachsen ist Andreas Brandt im friesischen Cäciliengroden, das Ende der dreißiger Jahre aus einer Arbeitersiedlung der Wilhemshavener Kriegsmarinewerft entstanden ist. Dass seine Eltern ihm den Besuch des Gymnasiums ermöglichten, war für damalige Verhältnisse außergewöhnlich. Außergewöhnlich aber auch, dass sie sich letztendlich mit dem Dickkopf ihres Sohnes abgefunden hatten, als er trotz Ablehnung der Kunsthochschulen verkündete, Cartoonist werden zu wollen. „Meine Eltern tolerierten das, auch wenn es für sie eine große Belastung war“, erzählt Andreas, der im Dorf mit seinen geäußerten Ambitionen schnell als „Spinner“ galt. Doch aus dem „Spinner“ ist mittlerweile ein gestandener Geschäftsmann geworden, der genau das umgesetzt hat, was er immer wollte: mit und von seiner Kunst zu leben. Fünfzig Zeitungen und Zeitschriften aus sechs Ländern zählen zu seinen Kunden, darunter das Luxemburger Wort, die Hannoversche Allgemeine Zeitung, das St. Galler Tagblatt, das Liechtensteiner Vaterland, Das Neue Blatt, Lea, FunkUhr, die Recklinghäuser Zeitung oder Dog’s Avenue.

 
Der Weg dorthin war allerdings hart und kostete ihn so manche Nacht: Um seine Kunst finanzieren zu können, fuhr er nachts Taxi. Nach einem halben Jahr konnte er schließlich seine Cartoon-Sammlung an den Semmel-Verlag in Kiel (bekannt durch die Werner-Comics) schicken, einige Blätter an eine Werbeagentur in Oldenburg. Und die sah in ihm „ihren Mann“. Elf Jahre lang zeichnete Brandt unter anderem Werbefiguren für Discounter und Lebensmittelmärkte. Dann wagte er den Sprung ins kalte Wasser: vom Werbezeichner in die Selbstständigkeit nach Berlin, der Stadt der Künstler und der Gegensätze. „Keine andere Stadt polarisiert so wie Berlin, in keiner anderen Stadt gibt es so viel Wandel“, zeigt sich der bekennende Berlin-Liebhaber noch immer begeistert, der die vielfältigen Strömungen der Stadt in sich aufsaugt, sich von ihnen treiben lässt, während das pralle schrille Leben in sein Künstlerdasein drängt. „Ich brauche Berlin, um zu arbeiten. Die Stadt zwingt mich zu denken“, bringt es der 53-Jährige auf den Punkt. „Obwohl ich in Berlin meist alleine lebe, fühle ich mich nie einsam.“


In Zell an der Mosel hingegen ist die Anwesenheit seiner Frau Brigitte die „conditio sine qua non“. „Ohne sie würde ich es nicht aushalten“, gibt er freimütig zu und meint damit die Stille und Ruhe, die den Moselort umgibt. Als seine Assistentin managt die Kauffrau alles rund um Kundenabwicklung und Administration und ermöglicht ihm damit, sich voll und ganz aufs Künstlerische zu konzentrieren. Gemeinsam mit ihr gelingt ihm auch der Spagat zwischen Künstler und Leser. „Ein Witz alleine reicht nicht“, sind sich beide einig. „Er muss auch immer den Zugang zum Leser finden.“ Brigitte ist geerdet genug, um ihm dabei zu helfen. „In den 80er, 90er Jahren habe ich mich künstlerisch ausgelebt“, erzählt der Cartoonist. „Aber damit kann man kein Geld verdienen.“ Die Mitte zwischen künstlerischer Selbstverwirklichung und gutem Marketing hat er mit seinen Cartoons gefunden: Es müssen alltägliche Themen sein, die die Menschen bewegen, ist seine Maxime. Ein gelungenes Transportmittel sind seine Tier-Cartoons. Hunde, Katzen und Vögel lassen allzu Menschliches in einem anderen Licht erscheinen. Immer mit Humor, mal offensichtlich, mal hintergründig.