MAYEN. -rro- „Friends will be friends, right till the end“, das sang einst bereits Freddie Mercury in seinem berühmten Hit der britischen Band Queen. Das Ende der Freundschaft zwischen Mayen und Godalming ist noch lange nicht gekommen – an dieser tiefen Verbundenheit kann auch der Brexit nicht rütteln.
Bereits seit April 1982 besteht die Städtepartnerschaft zwischen Mayen und Godalming, einer Stadt mit etwa 20 000 Einwohnern, in der Grafschaft Surrey, rund 60 Kilometer südlich von London.
Der Freundschaftskreis
Der Freundschaftskreis Mayen-Godalming ist eine gewachsene Institution. Die ältesten Mitglieder und manche der Familien sind bereits seit dem Gründungsjahr dabei: „Wir besuchen uns nun bereits in der dritten Generation“, erzählt Bettina Cornely, Vorsitzende des Vereins. Ihr Vater war bereits Vorstandsmitglied im Gründungsjahr.
Einmal im Jahr findet ein wechselseitiger Besuch der Mitglieder statt. Untergebracht werden die Gäste dann in Familien vor Ort.
„Bei der Städtepartnerschaft geht es uns vor allem um den persönlichen Austausch“, betont sie. „Als ’normaler‘ Tourist erlebt man nicht das Traditionelle, die Gepflogenheiten die besondere Herzlichkeit, die man in den Gastfamilien spürt“, schildert Bettina Cornely.
Die enge Verbindung zu Godalming und den Menschen dort, ist der Mayener Vorsitzenden deutlich anzumerken: „Hier kommen Menschen zusammen, die sich sonst im Leben vielleicht niemals begegnet wären.“
Auf deutscher Seite zählt der Freundeskreis aktuell 150 Mitglieder, auf englischer immerhin 60. Hat sich der Altersschnitt in Mayen, durch gezielte Aktionen verändert und verjüngt, sind die britischen Mitglieder überwiegend im Alter zwischen 50 und 90 Jahren und gehören oft noch der Gründergeneration an.
Eine Deutsche
in Godalming
Das die Verbundenheit der beiden Städte nicht nur auf dem Papier existiert, zeigt die Freundschaft zwischen Bettina Cornely, und Inge Hempstead, einer Deutschen, die bereits seit 1960 in England lebt und dort ihr zu Hause gefunden hat.
Ursprünglich verschlug sie die Arbeit an der deutschen Botschaft nach England. Doch nach der Hochzeit mit ihrem mittlerweile verstorbenen Mann, John, gab es für die Deutsche kein zurück mehr. Sie ließ sich in der neuen Heimat nieder und gründete eine Familie.
Lange Jahre arbeitet die heute 79-Jährige dann als Lehrerin im Staatsdienst. Heimweh hatte sie nie. „Ich bin ja jeden Sommer zu Besuch in Deutschland und halte enge Verbindungen“, sagt die Wahl-Engländerin.
Die britische Staatsangehörigkeit hat sie jedoch nie angenommen. „Ich hätte durchaus die Chance gehabt einen britischen Pass zu bekommen, dafür hätte ich meinen Deutschen jedoch aufgeben müssen. Das wollte ich nicht“, erzählt sie.
Eine starke
Freundschaft
Für den Freundschaftskreis Mayen-Godalming macht der Brexit keinen Unterschied, da sind sich Bettina Cornely und Inge Hempstead einig.
Den Gästen aus Godalming war es, wie die Vorsitzende erzählt, dennoch ein besonderes Anliegen klar zu stellen, dass sie alle mit „remain“ – also für den Verbleib in der EU gestimmt haben. „Gerade in dieser Zeit ist wichtig zu einander zu stehen“, betont Bettina Cornely.
„Wir sind und bleiben in Freundschaft verbunden. Daran wird auch der Brexit nichts ändern. Das ganze wird uns vermutlich noch enger zusammenbringen“, so die Mayenerin.
Obwohl oder gerade weil eine solche Partnerschaft wie sie sich zwischen den Mayener und Godalminger Bürger entwickelt hat, nicht mehr zeitgemäß erscheine müsse man sie am Leben halten, betont Bettina Cornely.
Gedanken zum Brexit
Vor etwas mehr als einem Jahr stimmten rund 17 Millionen Briten mit einer denkbar knappen Mehrheit von 52 Prozent für den Austritt aus der Europäischen Union. „Als das Ergebnis des Referendums bekannt wurde ging ein Schock durch ganz England. Niemand hat tatsächlich damit gerechnet, dass es so ausgehen würde“, beschreibt Inge Hempstead die Lage nach der Abstimmung.
Ihre persönlichen Haltung zum Brexit, formuliert Inge Hempstead ganz deutlich: „Es ist ein Debakel. Ich habe mich immer wohlgefühlt in Großbritannien, aber ich bin enttäuscht und sehr traurig darüber, dass es zum Brexit gekommen ist.“
Die 79-jährige macht es vor allem betroffen, dass ihre Generation den Austritt befürwortet. „Es tut mir sehr leid für die jungen Leute, die Alten haben nur für sich gewählt“, bringt es die Deutsche auf den Punkt.
Sie macht sich Sorgen um das Land, in dem sie eine Heimat gefunden hat. Unwissenheit, mangelnde Weitsicht und die Angst davor dass der Inselstaat seine Souveränität verlieren könnte, seien entscheidend für den Ausgang des Referendums gewesen. So zumindest die Einschätzung von Inge Hempstead, die sich schon immer auch für die politische Lage ihrer Wahlheimat interessierte.
„Ich habe allerdings schon das Gefühl das Land doch nicht so gut zu kennen, wie ich dachte“, räumt sie betroffen ein.
„Um meine Lage als Europäerin, in England, sorge ich mich ehrlich gesagt wenig“, sagt sie. „Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ich des Landes verwiesen werde“, scherzt die Deutsche.
„Im Grunde könnte ich ja auch jederzeit die britische Staatsangehörigkeit annehmen. Das geht auch jetzt noch. Aber wissen Sie, jetzt bin ich erst recht trotzig“, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln. Dann wird sie wieder ernster.
„Aber ich mache mir schon Sorgen um England. Die wirtschaftliche Lage wird sich in den nächsten fünf, sechs Jahren sicherlich verschlechtern“, prognostiziert die pensionierte Lehrerin.
Das diese Befürchtung nicht ganz unberechtigt scheint, zeigt die Tatsache, dass erst kürzlich Japans drittgrößte Bank, London, als britischen Finanzzentrum, den Rücke kehrte – und das nicht als erstes wichtiges Geldinstitut.
Aus Sicht der deutschen hätte die europäische Idee im Vorfeld des Referendums eine viel größere Rolle spielen müssen. Auch hier findet die ehemalige Lehrerin deutliche Worte:
„Niemand hat ausreichend darüber gesprochen wieso die EU überhaupt gegründet wurde. Das wäre aber wichtig gewesen. Gerade jetzt, bei der doch auch beängstigenden gesamten Weltpolitischen Lage brauchen wir eine starke und vereinte EU, auch wenn Reformen sicherlich nötig sind. Aber das England denkt es alleine schaffen zu können ist unrealistisch.“