KOBLENZ. -mdz- Sarkasmus first: Der Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig begann die gemeinsame Pressekonferenz mit den Einsatzkräften eindringlich: „So etwas geht 1000 Mal gut, aber wehe, wenn’s mal schiefgeht!“, seine Hände waren dabei (sicher eher unbewusst) gebetsartig gefaltet. Der Fund vom Montag läutete die 13. Entschärfungsaktion in allein seiner Amtszeit seit Mai 2010 ein. Und wieder muss die Rhein-Mosel-Stadt einen Tag lang Kopf stehen: Drei Stadtteile mit 21 000 Menschen werden ab Samstagmorgen evakuiert. Die Planungen dazu liegen seit Mittwoch komplett vor und versprechen, sollte die Entschärfung zügig funktionieren, einen reibungslosen Ablauf.
Erneut versetzt der Fund einer Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg Koblenz in eine Art Ausnahmezustand: Das am Montag bei den Bauarbeiten zur Kindertagesstätte (Kita) auf der Karthause vor dem Löwentor entdeckte 500 Kilo schwere, mit zwei Zündern ausgestattete US-amerikanische Relikt wird am Samstag, 2. September entschärft.
Gefahr ist nicht
zu unterschätzen
Das Objekt steckt in knapp 1,60 Meter Tiefe, ist zwischenzeitlich fast völlig freigelegt und das Areal durch zunächst einen privaten Kampfmittelräumdienst abgesichert worden. Die erste Begutachtung ergab, dass sich beim Aufprall vor mehr als 70 Jahren beide Zünder aktiviert haben. Die Entschärfung gilt daher als problematisch. Zudem liegt die Bombe vom Typ „GP 1000“ in einer sehr schrägen Neigung, die rund 70 ° beträgt.
Unter anderem auch deshalb erfolgte von städtischer Seite ein eindringlicher Appell an die Bevölkerung die Maßnahme nicht zu unterschätzen und sich der Evakuierung nicht zu verweigern. Immer wieder gäbe es Menschen, die Abwesenheit vortäuschten, um ihre Wohnungen nicht zu verlassen – zumeist gelingt diesen das doch nicht und sie verzögern mit ihrem Fehlverhalten nur den Beginn der eigentlichen Entschärfung.
„Das wäre töricht“, warnte Hofmann-Göttig nachdrücklich: „Bitte helfen Sie alle mit, dass wir wie in der Vergangenheit auch diese Aktion schnellstmöglich zu einem glücklichen Ende führen können!“ Hartnäckige Verweigerer übrigens müssen mit harten Strafen rechnen.
So wenig Störung
wie möglich
Natürlich will die Stadt den Einfluss auf die öffentliche Ordnung so gering wie möglich halten: Daher wird am Samstag und nicht am Sonntag, wie bei derartig großen Bombenfunden üblich, evakuiert und entschärft.
Hauptgrund für das Ausweichen auf den Samstag ist die Premiere des ersten Koblenz-Marathon am Sonntag, der wie geplant stattfinden soll. Sogar die für Samstagabend angesetzte Lange Nacht der Museen (Beginn ab 19 Uhr) soll planmäßig beginnen. Abgesagt indes wurde das OpenAirKino für Jugendliche von der Jugendkunstwerkstatt, da der Veranstaltungsort, das Kurt-Esser-Haus, in der Evakuierungszone liegt. Betroffen sind neben der Karthause nämlich auch die Goldgrube und weite Teile der südlichen Vorstadt.
Drei Stadtteile betroffen
Der Chef der Koblenzer Feuerwehr, Meik Maxeiner, erklärte die Details. Er wirkt dabei bestens und auf alle Eventualitäten vorbereitet.
Die Evakuierung für die drei Stadtteile Karthause, Goldgrube und Süd beginnt am Samstagmorgen gegen 8 Uhr und muss bis 13 Uhr abgeschlossen sein. Ab dann darf sich niemand mehr im Sperrgebiet, das einen Radius von 1000 Metern rund um den Fundort umfasst, aufhalten.
Um diese Uhrzeit beginnen dann die Kontrollen von Haustür zu Haustür. Würden ab dann noch Bewohner oder Passanten angetroffen, verzögerte deren Evakuierung alle weiteren Maßnahmen. Als Betreuungszentrum wird die Sporthalle des Schulzentrums auf der Karthause (Zwickauer Straße 22) eingerichtet, das vor Ort durch den Malteser-Hilfsdienst besetzt wird.
Ein für den Samstagnachmittag hier angesetztes Benefiz-Basketballspiel wird an einen Ausweichort verlegt. Der Beginn der Entschärfung der Bombe durch den Kampfmittelräumdienst (KMRD) Rheinland-Pfalz ist für 15 Uhr angesetzt. Sie kann in wenigen Minuten über die Bühne gehen, kann sich aber auch langwierig gestalten.
Stringenter Ablauf
Die betroffene Bevölkerung wird durch Handzettel des Ordnungsamtes aufgefordert den Evakuierungsbereich bis spätestens 13 Uhr zu verlassen. Für Rückfragen ist ein Bürgertelefon unter (0261) 40 40 4-8000 eingerichtet. Mitbürger mit Gehörbeeinträchtigung können sich per Fax unter (0261) 44 660 melden; beide Nummern sind seit Mittwoch über 24 Stunden rund um die Uhr erreichbar.
Wichtig: Beförderungen für Hilfsbedürftige Personen in der häuslichen Pflege, die am Bürgertelefon angemeldet wurden, werden im Zeitraum von 9.30 bis 12.30 Uhr durchgeführt – hierfür erfolgen keine Rückrufe von den Rettungsdiensten.
Um in letzter Minute nochmal auf die Evakuierung hinzuweisen wird das Technische Hilfswerk (THW) von 11 bis 13 Uhr Lautsprecherdurchsagen durchführen. In dieser Zeit werden zudem Linienbusse der evm die Bushaltestellen im Evakuierungsbereich anfahren und Bürger zur Betreuungsstelle Sporthalle im Schulzentrum Karthause befördern. An den Haltestellen werden am Samstag die aktuellen Fahrzeiten ausgehängt sein.
Unvermeidliche
Straßensperrungen
Ab 13 Uhr kommt es zu Sperrung der B 9 im Stadtgebiet und zu Beeinträchtigungen im Schienenverkehr: Der letzte Halt am Koblenzer Hauptbahnhof (Hbf) wird um 12.45 Uhr sein. Betroffen hiervon sind auch die Fernreisebusse, die den Hbf andienen. Die alternative Haltestelle hierfür wird das Weindorf an der Rhein-Mosel-Halle sein.
Überdies bleibt der Hauptfriedhof am Samstag ganztägig geschlossen.
Busverkehr betroffen
Weiteres Problem: Der Busverkehr der evm, deren Betriebshof und Netzgesellschaft in der Schützenstraße und somit im im Evakuierungsgebiet liegen. Kurzzeitig ziehen diese in die Ludwig-Erhardt-Straße um und unterstützen die Entschärfung hinsichtlich Strom-, Gas- und Wasserleitungen.
Zahlreiche Buslinien (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 12, 13, 15, 16, 20, 301) sind betroffen. Von 11 bis 13 Uhr werden Evakuierungsbusse eingesetzt. Aktuelle Infos dazu finden sich auf www.evm.de.
Enormer Aufwand
Von der Evakuierung betroffen sind neben allen Wohnungen und Geschäften im Sperrgebiet auch die Justizvollzugsanstalt, die Flüchtlingsunterkunft im Haus Bastian und kleinere Hotels, zwei Altenheime (in der Weisenhausstraße und am Sankt-Josef-Platz), das Brüder-Krankenhaus in der Kardinal-Krementz-Straße, in dem Operationen und Umverlegungen in den Marienhof bereits seit Donnerstag durchgeführt werden.
Ebenfalls betroffen sind das Bundesarchiv und Schulen sowie Kitas im Sperrgebiet. Auf den Samstag gestaltet sich deren Evakuierung wegen des kaum vorhandenen Publikumsverkehrs aber unproblematisch.
Für unmittelbar nach erfolgter Entschärfung ist die Überprüfung der Aufhebung der Sperrung angesetzt. Nach ihrer Freigabe beginnt sofort die Rückführung aller Bewohner. Läuft alles plangemäß wird die Veranstaltung „Lange Nacht der Museen“ am heutigen Abend unbeeinflusst stattfinden und auch die Messe zum Sparkassen-Marathon in der Conlog Arena auf dem Oberwerth (Freitag, 14 – 20 Uhr, und Samstag, 10 – 18 Uhr).
Definitiv nicht betroffen von Evakuierung und Entschärfung sind Schiffsverkehre auf Rhein und Mosel und die Koblenzer Innenstadt: Alle Geschäfte haben normal geöffnet und sind von allen Seiten erreichbar; einige vielleicht über klar ausgeschilderte Umleitungen.
Zuversicht ausgestrahlt
Einsatzkräfte und Stadtspitze aber demonstrieren Einigkeit und gehen zuversichtlich bis (zweck-)optimistisch an die Sache ran: Die größte Evakuierung in der Geschichte von Koblenz fand im November vor sechs Jahren – ausgerechnet im Jahr der Bundesgartenschau – statt. Damals wurden 45 000 Menschen evakuiert, alles lief glatt, alles wurde gut.
Auf genau das hoffen alle Beteiligten und Betroffenen auch dieses Mal.
Beitragsbild: Schupp