MAYEN. Die ersten Wochen der Sommerpause in der Fußball-Regionalliga wurden von einem einzigen Thema geprägt: Soll die chinesische U-20-Auswahl von der Saison 2017/18 an in der Fußball-Regionalliga Südwest mitspielen dürfen? Das Team aus dem Reich der Mitte, das sich damit auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2020 in Tokio vorbereiten will, wird von der Rückrunde an außer Konkurrenz antreten! Nach wochenlangen Diskussionen stimmten letztlich bis auf TuS Koblenz, Stuttgarter Kickers und Waldhof Mannheim die anderen 16 Regionalligisten für die Aufnahme der Chinesen (wir berichteten). Die zustimmenden Klubs treffen nun in der Rückrunde an ihrem spielfreien Wochenende auf die chinesische Auswahl und erhalten dafür jeweils 15 000 Euro. Die beiden nationalen Fußball-Verbände und Regierungen hatten eine fünfjährige Kooperation beschlossen und haben mit der Regionalliga Südwest eine sportliche Heimat gefunden. Jetzt muss nur noch eine Unterkunft für die chinesischen U 20-Kicker her. Und diese könnte in unserer Heimat liegen: in Mayen! Vier Quartiere im Südwesten hatten die Chinesen in der engeren Auswahl für ihren Stützpunkt. Nun scheint sich herauszukristallisieren, dass das ehemalige Augustiner-Internat in Mayen gute Aussichten hat. Eine Besichtigung des Areals hat bereits stattgefunden.
1960 ist das Augustiner-Internat in Mayen von französischen Augustinern gebaut worden. Bis 1981 war es ein Jungen-Internat, seit 1989 eine Unterkunft für Aussiedler und seit 2005 steht es leer. Im Juni 2016 wurde das marode Gebäude verkauft – an eine chinesische Familie, die in den 1960er Jahren aus China nach Deutschland kam und auf dem Hunsrück wohnt. Nun könnten Fußball spielende Landsleute aus dem Reich der Mitte dem Areal wieder Leben einhauchen.Seit die chinesische Familie das Gebäude für wenig Geld erworben hat, steht sie in Kontakt zur Stadt Mayen. Insbesondere zu Oberbürgermeister Wolfgang Treis. Nutzungsmöglichkeiten des Gebäudes sind Thema der Gespräche. Der OB sei ein sehr zuverlässiger Partner in den Gesprächen gewesen, sagt die Tochter des chinesischen Besitzers. Sie wurde in Mainz geboren, ging in Simmern zur Schule und spricht glänzend deutsch.
Ob Sonntag, der 6. August 2017 für die Zukunft des ehemaligen Internats entscheidend sein kann, ob an diesem Tag in Mayen gar etwas auf den Weg gebracht wurde, das weit über die Nutzung dieses Gebäudes hinaus Bedeutung haben kann – das Protokoll des Tages lässt mancherlei Vermutung zu.
Das Geschehen findet hinter dem Mayener Stadion statt. „An Sagnesmühle“ heißt die Straße, das Schild ist fast zugewachsen. Hier ging es zum alten Platz der „Rheinländer“. An besagtem Sonntagvormittag soll hier etwas Geheimes stattfinden. Mayen AM WOCHENENDE erfuhr davon und beobachtete die Geschehnisse vor Ort.
Um 10.45 Uhr kommt der Wagen des OB vorbei. Am Ende der Straße, da wo die letzten Bäume stehen und gegenüber die Holzbrücke über die Nette geht, da biegt der Wagen zunächst nach links ab. Da wo der OB-Wagen schließlich zum Stehen kommt, im Hof des ehemaligen Internats, hängt ein langes Transparent in chinesischer Schrift. Am Ende des Hofes stehen einige Deutsche und Chinesen. 11.13 Uhr kommt der nächste: Walter Desch, Präsident des Fußballverbandes. Nachdem wir ihn anhalten, erfährt unsere Zeitung von ihm, dass sich eine chinesische Delegation informiere, ob das ehemalige Internat in ein „Fußball-Internat“ umgebaut werden könne. Dazu müssten Trainingsplätze etwa auf dem Gelände des einstigen Rheinlandplatzes gebaut werden. Es gehe konkret um die Frage, ob Mayen der Stützpunkt für ein chinesisches Fußballzentrum werden könne. Desch bestätigt unserer Zeitung, dass das Ganze in den Rahmen des Partnervertrages des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit dem chinesischen Fußballverband passe. Ob es auch etwas mit dem Aufenthalt der chinesischen U 20 Mannschaft, die sich im Rahmen ihrer Olympia-Vorbereitung für 2020 in Tokio in der Regionalliga Südwest künftig außer Konkurrenz mit deutschen Teams misst, will Walter Desch nicht bestätigen.
Um 11.54 Uhr treffen zwei Limousinen mit Kennzeichen Berlin und München sowie ein verdunkelter Kleinbus mit Wiesbadener Nummer ein. Mayen AM WOCHENENDE beobachtet weiter – und wird wichtig, als die chinesischen Gäste nach dem weiteren Weg zum Internat fragen.
War das Ganze bisher recht geheimnisvoll, so löst sich die Sache eine halbe Stunde später mit einer befreienden Leichtigkeit auf. Plötzlich kommt die gesamte Truppe den Weg vom Augustiner-Internat zu Fuß herunter und will ins Stadion. Angeführt von OB Treis und einem Mayener Architekten, der bestätigt, dass ein Antrag auf Nutzungsänderung für das Internat bereits gestellt sei. In der Delegation befinden sich auch Walter Desch, die chinesischen Eigentümer des ehemaligen Internats – und Herr Du, Mitglied im Präsidium des chinesischen Fußballverbandes mit weiteren Fußballvertretern seines Landes.
Auf die Frage unserer Zeitung, ob man in Mayen ein Fußball-Internat plane, antworten die Chinesen vorsichtig. „Mayen ist eine Option“, sagen sie. Nach dem Stadion besichtigen die Chinesen auch noch den Platz in Hausen. Ein Platz reiche nicht. Wie es auch immer ausgehe, für die Chinesen ist es wichtig, „dass wir über die Anlage frei verfügen können. Wir suchen keine Kooperation, sondern Eigenständigkeit im Handeln“. Daher rühre auch das Interesse am Gelände mit dem alten Rheinland-Platz, der umgebaut werden könne und dem dahinter liegenden Internat.
Gut möglich, dass Mayen AM WOCHENENDE exklusiv – wenn auch zunächst im Geheimen – einen sporthistorischen Tag für Mayen erlebt hat!