KOBLENZ. -nsc- Einatmen. Ruhe finden. Schwert ziehen. Mit einem eleganten Hieb streckt Mario Klersy konzentriert seinen mentalen Gegner nieder. Eine Bewegung, die mehr an eine bewegte Form der Meditation erinnert als an einen Kampf. Bedächtig lässt er sein Katana, das Schwert des Samurai, wieder in die Saya (jap. Schwertscheide) gleiten. AM WOCHENENDE hat mit dem Ransbach-Baumbacher, der im Koblenzer Stadtteil Pfaffendorf seit einiger Zeit seinen Traum vom eigenen Dojo (Übungsraum) erfüllt hat, über seine außergewöhnliche Leidenschaft Mugai Ryu Iaido gesprochen.
Iaido – das ist der Weg des Schwertziehens und ist eine traditionelle, japanische Kampfkunst. „Und nicht zu verwechseln mit Kendo“, gibt Mario Klersy den Hinweis. Das sei zwar die Sportform des japanischen Schwerkampfes, allerdings nicht in seiner ursprünglichen Art. Im Gegensatz dazu geht der Stil Mugai Ryu – so wie er im Koblenzer Dojo der Kakushinkai Schwertkampfschule betrieben wird – auf Tsuji Gettan, der 1648 geboren wurde, zurück. Den Stil gründete er 1693.
Seitdem wurden die Übungen – aber auch die mit dem Stil verbundene Philosophie – von einer Generation zur nächsten überliefert. Als Mugai Ryu nach Deutschland kam, gehörte Mario zu den Ersten, die diese Form des Schwerkampfes hierzulande trainierten.
„Ich war halt nie ein Fußballer“
Doch schon zuvor war der heute 52-Jährige dem Kampfsport zugetan. Bereits als kleiner Junge fing alles mit Judo an. „Ich war halt nie ein Fußballer, aber irgendwie gab es früher nur das in meinem Heimatort“, erzählt Mario mit einem Lachen und ergänzt: „Mein Vater hat mich damals sehr geprägt.“ Er hatte ein Faible für das Asiatische und nahm seinen Sohn mit zu Meditationen.
Schon bald interessierte sich Mario auch für andere Kampfsportarten und fand 1996 durch seinen Bruder zum Schwertkampf. Allerdings erst mal zu Kumdo, dem koreanischen Schwertkampf, ehe er 2008 mit dem japanischen Mugai Ryu Iaido anfing. Mittlerweile, zehn Jahre später und nach hartem Training, hat er – neben diversen Meistergraden in den zuvor ausgeübten Kampfsportarten – in der japanischen Schwertkampfkunst den fünften Dan. Damit darf er nun auch statt mit einem Iaito (Übungsschwert, das nicht scharf geschliffen ist) mit einem scharfen Katana trainieren. Sein Wissen gibt er seit 2012 im eigenen Dojo in Koblenz-Pfaffendorf weiter. Besonders stolz ist Mario Klersy dabei auf die direkte Verbindung zu Japan: „Wir haben eine offizielle Lehr-Lizenz aus Tokio und die Prüfungen werden von ranghohen Japanern abgenommen“, erklärt der Ransbach-Baumbacher erfreut.
Das eigentliche Ich ist der harte Gegner
An Mugai Ryu Iaido schätzt Mario vor allem, dass es den ganzen Körper trainiert. „Aber auch geistig wird man gestärkt“, ergänzt er. „Früher waren Fehler tödlich. Sie zeigen die potenziellen Schwachstellen bei einem selbst. Es ist eigentlich ein Kampf mit Gedanken und Entscheidungen. Das lässt sich in den heutigen Alltag übertragen.“ Für ihn bedeutet das auch, sich bestmöglichst korrekt gegenüber anderen zu verhalten.
Budo – die japanischen Kampfkünste, die eine Philosophie beinhalten – sei der Kampf mit sich selbst in Harmonie. Es gehe darum, seinen Charakter zu verbessern, weiter zu entwickeln und zu stärken. „Das eigentliche Ich ist der harte Gegner“, fügt der Westerwälder hinzu und erklärt weiter: „Es kommt auch auf Kleinigkeiten an. Beispielsweise muss man sich sauber und richtig verbeugen. Es geht um die Liebe zum Detail. Man lernt Respekt zu haben vor einem selbst, vor den anderen, aber auch vor dem, was man tut. Es geht nicht darum, andere Menschen zu verkloppen. Es geht um Ruhe und um Präzision.“
Kampf und Achtsamkeit?
Der klare und direkte Stil des Mugai Ryu, der ohne Schnörkel und unnütze Bewegungen auskommt, wird auch als Zen mit dem Schwert und in Bewegung beschrieben. Kämpfen und meditieren? Diesen eigentlichen Widerspruch gibt es im Falle des Mugai Ryu Stils, der eng mit Zen verwoben ist, nicht. Gründer Tsuji Gettan studierte den Weg des Zen, während er Iaido trainierte. Dabei erschlossen sich dem Japaner die grundlegenden philosophischen Prinzipien, die er nach seiner Erleuchtung in den von ihm entwickelten Schwerkampfkunststil mit einfließen ließ.
Für den IT-Systemadministrator, der bei der Kreisverwaltung Mayen-Koblenz arbeitet, ist sein Hobby auch ein guter Ausgleich zum Beruf. Gerade durch die Achtsamkeit im Training finde er Ruhe in der hektischen Welt.
Eine Schule für echte Samurais
Mit Leidenschaft und Stolz ist Mario dabei, ein Samurai zu werden. Seit 2012 ermöglicht er genau das auch anderen. Im Dojo, das natürlich im Zen-Stil eingerichtet ist, unterrichtet er einige Schüler und vermittelt ihnen die drei Säulen des Mugai Ryu: Iaido, das schnelle Schwertziehen, Kumitachi (Partnerübungen mit Hozlschwert) und Tameshigiri, das Schneiden. Als Lehrer gibt er ihnen zudem die Werte des Zen und des Budo weiter. „Wenn man zulässt, sich darauf einzulassen, ist Mugai Ryu Iaido prägend“, sagt Mario und ergänzt typisch japanisch: „Es ist wichtig, sich seinen Anfängergeist zu bewahren. Man darf sich nicht zufrieden geben und nicht stagnieren, sondern muss sich weiterentwickeln.“
„Das Leben besteht aus vielen Fallen, es obliegt uns, ob wir uns davon unterkriegen lassen“, sagt der 52-Jährige und berichtet von einigen Rückschlägen, in denen er mittlerweile jedoch das Positive sieht, und schließt mit einer alten japanische Weisheit: Das Leben ist wie Wasser. Man kann es nicht festhalten. „Deshalb muss man wie Tee in einer Schale sein und sich anpassen“, erklärt Mario mit einem Lächeln.