POLCH. -edb- In Polch tut sich was. Und zwar in breitem Platt. Denn Bürgermeister Gerd Klasen (links) und Stadtchronist Wolfgang Röser (rechts) denken intensiv darüber nach, die erfolgreichen Mundart-Abende neu aufleben zu lassen.

13 Jahre sind es her, dass der letzte Abend in Polcher Platt stattgefunden hat. Über 1000 Gäste hatten sich damals im Forum eingefunden, um noch live mitzuerleben, wie einst die Eltern sprachen.

„Mundart hat etwas Integratives“, betont Röser und meint den Brückenschlag zwischen dem Polcher Urgestein und den Neubürgern.

„So lassen sich die unterschiedlichen Lebensauffassungen spielerisch vermitteln.“ Dass das gewollt ist, zeigt der rege Zuspruch seit Bekanntwerden der geplanten Neuauflage. Eine Arbeitsgruppe hat bereits getagt und fiebert den Proben entgegen. Derweil haben Gerd Klasen und Wolfgang Röser schon fleißig in der Klamottenkiste gekramt und die edlen Teile wieder zu Tage gefördert.

 

Regisseur, Ideengeber, Darsteller: Wolfgang Röser (links) schlüpfte bei den Mundart-Aufführungen in verschiedene Rollen.

 

Für die Wiederbelebung der Tradition haben sich Stadtbürgermeister Gerd Klasen und Wolfgang Röser (59) stark gemacht. „Mundart ist ein Kulturgut, das man pflegen muss. Ansonsten stirbt es aus“, so beide unisono.
Unter der Leitung des Stadtchronisten Röser und des Dialektsammlers Bernd Otto hatte sich 2002 die damalige Mundartgruppe formiert und durch ihre Auftritte (2002, 2003 und 2005) auch die Aufmerksamkeit regionaler Fernsehsender auf sich gezogen.

„Wir wollten einen Sketch-Abend initiieren, bei dem Mundart gesprochen wird, der aber von allen verstanden wird“, erzählt Röser rückblickend. Gemeinsam mit Urgestein Bernd Otto (66), der die Polcher Mundart als Sammelsurium in einem Büchlein zusammengefasst hatte, ging man auf die Suche nach Laiendarstellern, die so sprechen sollten, wie ihnen der Schnabel gewachsen war. Ihnen stellten sie Darsteller mit reinstem Hochdeutsch gegenüber.

„Da prallten zwei Welten aufeinander – nicht nur sprachlich“, freut sich Röser noch heute, der geschickt den alten Konflikt „Stadtgrenze Polch-Viedel“ auf die Bühne geholt hatte.

2002 (siehe Plakat) gab es den ersten Mundart-Abend, 2005 den dritten und letzten. Nun wollen Röser und Polchs Stadtbürgermeister Gerd Klasen diese alte Tradition wieder aufleben lassen. Auch ein Dingtag auf dem Marktplatz wird in Erwägung gezogen

 

Durch diesen Kunstgriff hatte er aber nicht nur die Lacher auf seiner Seite, sondern es gelang ihm noch einiges mehr: Anknüpfend an tatsächliche Begebenheiten, beschäftigten sich die Zuschauer nicht nur mit der Mundart, sondern auch mit der Historie des Dorfes.

„Mundart war nicht mehr die Sprache der Ungebildeten, sondern Mittel der Reflexion“, so Rösers Interpretation.

Und, weitreichender noch: Die Mundart-Abende schlugen einen Bogen zwischen den Ur-Polchern und den Zugezogenen, zeigten die unterschiedlichen Lebensauffassungen und warben für den echten und direkten Charakter des eingefleischte Ur-Polchers. „Denn der sagt, was er denkt, und das direkt und mitunter wenig beschönigend“, schmunzelt Röser. „Aber der Ur-Polcher ist nicht nachtragend“, beeilt er sich zu sagen und hofft, dass das auch umgekehrt so ist.

„Das ist mit Sicherheit so“ ist sich der Polcher Stadtbürgermeister, Gerd Klasen, sehr sicher. Der spricht noch breites Platt, sobald er mit einem Ur-Polcher zusammentrifft. „Ob privat oder dienstlich spielt dabei keine Rolle“, räumt er ein. „Das gibt einem Gespräch noch einmal mehr Vertrautheit und vermittelt meiner Meinung nach auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl.“

 

Rückbesinnung auf alte Zeiten: Wolfgang Röser (re) beim Viedeler Stammtisch mit Ludwig Schomer (Mitte), Hans-Jürgen Schlich (li) und Klaus Münch (stehend). Die Karte zeigt Polch und Viedel vor 1796.

 

Für Wolfgang Röser geht die Bedeutung noch weiter: „Damit setzen wir ein Zeichen gegen den Mainstream, gegen die Globalisierung. Mundart ist ein Kulturgut, das uns miteinander verbindet.“

Gegen den allgemeinen Trend lebt auch eine Handvoll Polcher, die sich einmal die Woche zum Stammtisch beim inoffiziellen Bürgermeister des Polcher Stadtteils Viedel, Ludwig Schomer (74), treffen. „Wir Viedeler sind eigensinnige Menschen, die gerne die Wahrheit sagen. Und die ist zu 98 % richtig“, wird die Maxime in der feucht-fröhlichen Runde hochgehalten.

Hier ist man sich der historischen Bedeutung der ehemaligen Stadtgrenze zwischen Viedel und Polch durchaus bewusst. Doch aus der anfänglichen Feindschaft ist über Jahrhunderte eine friedliche Ko-Existenz entstanden – das bestimmende Thema der bisherigen Mundartabende. „Das soll auch weiterhin so bleiben“, betont Röser. „Denn von diesem Konflikt leben die Spiele.“

 

Weitere Infos zu den Mundart-Abenden bei Wolfgang Röser  (02654) 979049

 

Foto: Seydel / Röser / Billigmann