KOBLENZ/NEUWIED. -edb- Dass Max Walscheid (24) nach seinem schweren Sturz im vergangenen Jahr wieder Rennen fährt, grenzt schon an ein Wunder. Mit der Diagnose Schienbein-Trümmerbruch schien im Januar 2016 sein Karriereende besiegelt zu sein. Seit Mai 2017 sitzt er wieder fest im Sattel und fährt regelmäßig seine Erfolge ein. Mit seinem Sprintsieg bei der Dänemark-Rundfahrt hat er gezeigt, dass es mit seiner Karriere als Radprofi noch lange nicht vorbei ist.
Das sieht sein Team auch so. Vor vier Wochen hat Sun Web (ehemals Giant-Alpecin) seinen Vertrag um weitere zwei Jahre verlängert. Und das nicht ohne Grund. Denn nach dem Mega-Crash in Calpe und häufigen Infekten in 2016 und Anfang 2017 ist Walscheid seit Monaten auf Erfolgskurs und konnte sich im Sprint gegen die großen Stars wie Marcel Kittel und André Greipel behaupten.
Mit 1,99 Meter und 90 Kilogramm gehört der junge Mann aus Neuwied, der seit 2012 in Heidelberg Medizin studiert, nicht zu den typischen Radsportlern. Ebenso ungewöhnlich wie seine Körperkonstitution war sein Weg in den Radsport: Seine ersten Straßenrennen fuhr er erst in der U 17. Vorher feierte er seine Erfolge im Landeskader für Leichtathletik (Mehrkampf) und bei Mountainbike-Rennen.
Als ein Freund ihn zum ersten Rennen nach Betzdorf mitnimmt, weiß Max sofort: „Das ist mein Sport.“ „Ich habe Blutgeleckt und wollte weitermachen“, erzählt er.
Schnell wird er in den rheinland-pfälzischen Landeskader aufgenommen und fährt die ersten Juniorenrennen. Seine Karriere geht steil bergauf. Bis zum dramatischen Unfall Anfang 2016 in Calpe. Eine Engländerin fährt mit ihrem Auto in die Trainingsgruppe. Walscheid und sein Teamkollege Degenkolb werden schwer verletzt. Ein Schienbein-Trümmerbruch und die zweifach gebrochene Hand scheinen sein Karriereende zu besiegeln.
Doch die Liebe zum Radsport lässt ihn nicht mehr los. Der Trümmerbruch ist mit einer Platte fixiert. Und Max will es wissen: Er steigt aufs Rad – die Platte hält – und Max trainiert weiter.
„Ein ganzes Jahr hat es gedauert, bis ich meine Kraftwerte wieder aufgearbeitet hatte. Das ist fast wie ein verlorenes Jahr.“
Ende Mai 2017 ist er wieder bei den Rennen dabei. Am 2. Juni steht er als Deutscher Vizemeister neben Kittel und Greipel auf dem Podium. „Ein unfassbarer Erfolg“, gibt sich Max noch heute erstaunt.
Damit er sich voll und ganz dem Profisport widmen kann, hat Max Walscheid Ende 2016 beim Medizinstudium den Cut reingelegt.
„Bei 60 bis 70 Renntagen im Jahr mit An- und Abreise, Meetings und Trainingslager ist kein geregeltes Leben möglich“, sagt er.
Das erste Staatsexamen hat er schon in der Tasche. Bevor er sich ans sechste Semester begibt, peilt er noch einige große Ziele an. Das naheliegende im Oktober: der Münsterland-Giro, eines der wenigen deutschen Profirennen, die es noch gibt. Das Ziel in 2018: die Deutschland-Tour, bei der eine Etappe möglicherweise in Koblenz endet. Und das Medienspektakel Tour der France als Traumziel in den nächsten zwei Jahren.
Kurzvita Max Walscheid
Maximilian Walscheid wurde am 13. Juni 1993 in Neuwied geboren. Mit 16 fuhr er erste Rennen, stieg bei den Junioren (U 19) richtig in den Rennsport ein; fuhr zunächst für den Velo-Club Neuwied, später für den Verein „Das Rad“.
Abitur machte er 2012, in Heidelberg studiert er Medizin. Als U23-Fahrer siegt er beim Deichstadt-Cup Neuwied, der Tour de Berlin, bei der Deutschen Hochschulmeisterschaft und der Deutschen Meisterschaft (2014). 2015 wechselt er zum Koblenzer Rennstall Kuota-Lotto, ist erstmalig Kapitän einer Mannschaft durch die Saison; fährt mehrere internationale Siege ein.
2015 ist er ab August Stagiaire beim World-Tour-Team Giant-Alpecin und belegt mehrere Top-Ten-Plätze bei Profi-Rennen. 2016/17 erhält er den ersten Profivertrag im Team Giant-Alpecin 2016 gewinnt er fünf Etappen und das erste Profi-Wertungstrikot (Trikot des besten Sprinters) bei der Tour of Hainan in China.
Beste Resultate erzielt er in 2017: Sieg beim Teamzeitfahrender Hammer-Series in Holland sowie Platz 2 in der Gesamtwertung; Platz 2 auf der ersten Etappe der ZLM Tour, Platz 3 auf der zweiten Etappe der Polen-Rundfahrt, mehrere Top-Ten-Platzierungen über das Jahr hinweg.
2017 vorzeitige Vertragsverlängerung um zwei Jahre bis Ende 2019 beim Team Sunweb. Etappensieg bei der Dänemark-Rundfahrt, kommt beim Zeitfahren unter die Top-Ten.