LEUTESDORF. -nsc- Die riesigen Brombeerhecken sind verschwunden. Die Mauersteine sind gestapelt. Nächster Schritt: Reben pflanzen. Damit rückt für Sarah Hulten der Traum, einen alten Weinberg aus dem Dornröschenschlaf zu wecken, weiter ein Stückchen in die Realität. Mit ihrem ambitionierten Plan R rekultiviert die Jungwinzerin eine alte, brach gelegte Steillage oberhalb des Weinorts Leutesdorf.
Er wächst wieder, der Wein. Nach dem die alte Steillage direkt am RheinSteig oberhalb von Leutesdorf von Brombeerranken befreit ist, folgt nun ein großer Schritt mit kleinen Pflänzchen. Zusammen mit gleich 20 der fast 100 Rebstockpaten ging es ans Pflanzen der zarten Rieslingreben. „Es war unglaublich schön“, freut sich Sarah. „Alle haben neugierig meinen Erläuterungen gelauscht und anschließend tatkräftig mit angepackt.“ Ein Pate reiste sogar aus Lüneburg an, um mitzuhelfen.
Zwei Tage, zwei Terrassen
Innerhalb von zwei Tagen setze die Jungwinzerin mit ihren Unterstützern 292 Rieslingreben. „Viele Paten erzählten, dass sie zwar geahnt hatten, wie herausfordernd das Projekt ist, aber dass es live erlebt noch einmal eindrucksvoller sei“, resümiert sie.
Am ersten Tag gelang es Sarah, gemeinsam mit den Rebstockpaten, die erste Terrasse komplett in Handarbeit zu bepflanzen. Ein Freund von der Winzergenossenschaft Loreley Bornich sowie Winzerkollege Matthias Riedel von der Mosel trotzen mit ihr dem Dauerregen am zweiten Tag und halfen der 26-Jährigen, die zweite Terrasse fertig zu pflanzen. „Seit 40 Jahren wuchs dort kein Wein mehr. Es ist ein tolles Gefühl, die fast vergessene Lage nun endgültig aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt zu haben! Nächstes Jahr folgt Teil 2“, so Sarah ganz euphorisch.
Von Trieben zum Stamm
Doch bevor die kleinen Reben gesetzt werden konnten, galt es erst einmal zu planen: Die Zeilen – also die Reihen, in denen die Reben wachsen – müssen gut durchdacht sein. So muss der Abstand, in dem die Reben gepflanzt werden, genau passen. Denn die Reben dürfen sich gegenseitig nicht zu sehr beschatten. Aber auch eine gute Bewirtschaftung der Steillage sollte gewährleistet sein. „Es war mir wichtig, Querterrassen anzulegen, auch wenn die Planung dieser Reihen durch Gegebenheiten wie die krummen Trockenmauern etwas komplizierter war“, erklärt Sarah.
Nachdem die Verteilung der Reben fest stand, legten die Rebstockpaten gemeinsam mit der Leutesdorferin los. Dabei galt es besonders zu beachten, dass die Reben passend tief in der Erde sitzen. Zudem mussten sie darauf achten, dass die Spitzen der Wurzeln nicht nach oben abgeknickt wurden. „Aber die Rebstockpaten haben das gut umgesetzt“, sagt Sarah erfreut.
Mittlerweile sind die Reben gut angewachsen und ausgetrieben. Aus den frischen Trieben wurden bis auf den Stärksten, der nach oben gewachsen ist, alle anderen ausgebrochen. So wächst jetzt ein schöner Trieb heran und wird später einmal der Stamm der Rebe.
Nachdem die ersten Reben bereits aus dem Pflanzrohr herausgewachsen sind, hat für Sarah die Zeit des Pflanzenschutzes begonnen.
Welcher Wein soll es werden?
Vom leichteren Alltagswein über die trockene Spätlese bis hin zu edelsüßen Spezialitäten wie Beerenauslese und Eiswein – der Riesling ist die perfekte Sorte, um alle denkbaren Weine auszubauen, weiß die ehemalige Mittelrhein-Weinkönigin. „Riesling wird nicht umsonst die ‚Königin der Rebsorten‘ genannt. Und die Steillagen am Mittelrhein bringen hervorragende Rieslinge hervor“, fasst Sarah ihre Gründe genau diesen anzubauen kurz zusammen und ergänzt: „In meinen Augen spiegelt keine andere Rebsorte so gut Klima und Boden, auf dem sie wächst, im Wein wider.“
Verbindung pfropfen – Pardon, knüpfen
Doch Riesling ist nicht gleich Riesling. Für ihren Weinberg hat sich Sarah einen ganz Besonderen ausgesucht: Der Klon der gesetzten Reben stammt von Rieslingreben, die bereits 1896 an der Mosel gepflanzt wurden. „Als eigentliche Koblenzerin bin ich ein Kind von Rhein und Mosel“, erzählt die 26-Jährige.
„Ich finde den Gedanken schön, das alte Genmaterial der Mosel in den Weinberg am Mittelrhein zu pflanzen.“
Aber was ist dieser Klon überhaupt? „Eine Weinrebe ist unterteilt in die Unterlagsrebe, also die Wurzel und den Klon, der darauf aufgepfropft wird. Die Unterlage ist reblausresistent und schlichtweg dem Standort der Reben angepasst“, erklärt Sarah Hulten und freut sich: „Die Wahl der Kombination verspricht eine gute Qualität.“
Fotos: Jacqueline Carina Werrmann
Weitere Teile der Serie:
Teil 1: Sarah Hulten kommt ihrem Traum vom eigenen Weinberg näher
Teil 2: Erst wird gerodet, dann gepflanzt – und zwischendurch? Trockenmauern erneuert