ANDERNACH. -edb- Mit Sarah Henke zählt Deutschland zur Zeit fünf Sterneköchinnen. Die Andernacherin hat es geschafft, sich in einer Männerdomäne zu etablieren. „Auch Frauen können mit Fleiß, Disziplin und Ehrgeiz etwas in der Gastronomie erreichen“, gibt sie sich überzeugt und will jungen Nachwuchsköchinnen ein Vorbild sein.
Sie selbst hat eine Bilderbuchkarriere hingelegt: 2012 wurde sie vom Gault Millau zur Aufsteigerin des Jahres gewählt, 2013 von der „Kulinarischen Auslese“ zur Besten Köchin des Jahres. 2014 erkochte sie sich den Stern im „A-Rosa“ auf Sylt, 2018 im „Yoso“ in Andernach.
Kenner bescheinigen ihren Gerichten die geglückte Kombination regionaler Produkte mit einer nuancierten asiatischen Aromenküche auf Sarahs eigene „Art und Weise“. „Aber nicht authentisch Koreanisch“, betont Henke, die zwar in Seoul geboren, aber bei Adoptiveltern in Deutschland aufgewachsen ist.
Vor gut zwei Monaten hat sie sich auf den Weg in die Vergangenheit gemacht und Korea bereist. AM WOCHENENDE hat mit der Andernacher Sterneköchin gesprochen.
„Es sind nicht immer die Gene“, lacht Andernachs Sterneköchin Sarah Henke (36), die damit der Gerüchteküche schon mal den Riegel vorschiebt, dass ihr die feinen Sinne für asiatische Aromen praktisch in die Wiege gelegt worden sind.
Denn Sarah ist zwar in Korea geboren, aber in Deutschland aufgewachsen. Mit eineinhalb Jahren hatten Passanten das Findelkind auf einer belebten Einkaufstrasse mitten in Seoul entdeckt und auf die dortige Polizeistation gebracht. Diese Geschichte kennt die junge Frau nur aus Erzählungen ihrer Adoptiveltern, bei denen sie in Niedersachsen aufgewachsen ist. Korea erstmals besucht hat sie im April diesen Jahres.
„Es war schon ein Stück Vergangenheitsbewältigung“, sinniert sie über ihre Erlebnisse. „Aber es hat mich noch zufriedener mit meinem Leben gemacht, als ich ohnehin schon war.“
Ihre Geschichte hat sie in einem Buch festgehalten, das der „Christian Verlag“ im September unter dem Titel „Meine kulinarische Reise ins Land der vielen Wunder“ herausgeben wird und in dem sie ihre Reise nach Korea beschreibt – „garniert“ mit Rezepten ihrer asiatischen Küche aus dem Andernacher „Yoso“ und den neuen Geschmackserlebnissen aus Korea.
So selbstbewusst, wie sie ihre Art des Kochens intellektuell auf den Punkt bringt („Ich koche nicht aus dem Bauch heraus, sondern wohl durchdacht mit Köpfchen“), so selbstbewusst sieht sie ihre Rolle als Köchin der gehobenen Küche.
„Frauen können etwas in der Gastronomie erreichen“, sagt sie und will für junge, angehende Köchinnen Vorbild sein.
Mit Fleiß, Disziplin und Ehrgeiz komme man überall weiter, so ihr Credo. Negativargumente wie unattraktive Arbeitszeiten oder Unvereinbarkeit mit der Familie will sie nur bedingt gelten lassen. „Das hat man doch in jedem anderen Beruf auch, in dem man etwas erreichen will“, argumentiert sie.
Mit Biss in die Küche
Den nötigen Biss dazu hatte Sarah schon seit der Oberstufe. Denn nebenbei jobbte sie bereits als Servicekraft in einem Familienbetrieb, in dem sie später ihre Ausbildung zur Köchin beginnen sollte. Doch das war zunächst nur zur Aufbesserung des Taschengeldes gedacht, denn ihr angestrebter Traumberuf war Tierärztin. „Was aber wegen meines Abi-Schnitts nicht geklappt hat. Glücklicherweise“, gibt sie zu. Denn die eigentliche Erfüllung habe sie tatsächlich in ihrem jetzigen Beruf gefunden.
Von unten nach oben
Und das zunächst als „ganz normale Köchin“, denn der bewusste Griff nach den Sternen kam deutlich später. Zunächst einmal suchte sie sich nach der überraschenden Insolvenz ihres Ausbildungsbetriebes einen neuen Arbeitgeber, den sie auch im „Burghotel Hardenberg“ in Hörten fand.
Ohne groß nachzudenken, bewarb sie sich anschließend beim 3-Sterne-Koch Dieter Müller, doch der Weg von unten nach oben blieb auch ihr nicht erspart.
Ihre ersten Auslandserfahrungen sammelte sie in Portugal bei Sternekoch Jens Rittmeyer. In Wolfsburg wagte sie im 3-Sternerestaurant „Aqua“ endgültig den Blick hinter die gehobenen Kulissen. Und sie begann zu verstehen: Gourmetküche ist mehr.
„Man begreift das erst richtig, wenn man Gerichte selbst kreiert. Und man lernt, was es heißt, jeden Tag aufs Neue ein Team zu motivieren.“
Sich selbst zu motivieren, ist Sarah schon längst gelungen. Denn der Wunsch, auch ihr Privatleben mit dem Beruf in Einklang zu bringen, war ein bewusster Verzicht auf ihren Michelin-Stern, den sie sich auf Sylt im „A-Rosa“ erkocht hatte. Doch das Angebot, im neuen Gourmet-Restaurant „Purs“ in Andernach zu kochen und durch einen Ortswechsel ihrem künftigen Ehemann nah zu sein, war zu verlockend.
Sarah Henke holt den Stern nach Andernach
2015 war es dann soweit. Umzug, Neueröffnung im „Yoso“ statt im „Purs“ (Dort kocht jetzt ihr Mann, Christian Eckhardt, 36), Hochzeit 2017 und Michelin–Stern Anfang 2018. Damit ist Sarah Henke eine der wenigen Sterneköchinnen in Deutschland.
Womit sie die Tester beeindrucken konnte, kann man nachlesen: Es ist die geschickte Kombination asiatischer Aromen mit heimischen Produkten in einer Ausgewogenheit, deren Geheimnis noch keiner so recht entschlüsselt hat.
Denn authentisch Koreanisch koche sie nicht, betont sie, sondern auf ihre ganz besondere Art und Weise. Der typisch asiatische Brückenschlag gelingt ihr mit einer „ausgewogenen Schärfe“.
„Meine Gerichte entstehen im Kopf“, sagt Sarah Henke.
„Ich überlege, welches Produkt ich in der Hauptsaison verarbeiten möchte, und welche Aromen ich dazu verwende.“ Um dann den Gerichten ihre unverkennbare Handschrift als harmonisches Miteinander von Schärfe, Süß-Saurem und Salzigem mitzugeben.
Wie sie das schafft, will sie nicht verraten. „Eine Frage des Umami,“ meint sie lächelnd. Die „winzige“ Kleinigkeit der gehobenen Küche, die das unverwechselbare gewisse Etwas ausmacht.
Auch privat steht die Andernacherin hinter ihrem Ernährungskonzept. „Ich esse gerne leicht und komme mit wenig Butter und Sahne aus. Aber scharf sollte es schon sein“, verrät sie. Und manchmal darf es auch ein Döner sein. Peperoni ausdrücklich erwünscht.
Fotos: Peter Seydel / Michael Königshofer / Brettschneider/Christian Verlag