LEUTESDORF. -nsc- Die riesigen Brombeerhecken sind verschwunden. Doch bevor es ans Pflanzen der kleinen Rieslingreben geht, heißt es erst mal Steine stapeln. Denn die Trockenmauern haben in den vergangenen Jahren teils stark unter dem verwilderten Bewuchs gelitten und müssen teilweise neu aufgebaut werden. Damit setzt Sarah Hulten den nächsten Schritt ihres Plan R – der Rekultivierung einer alten, brach gelegten Steillage oberhalb des Weinorts Leutesdorf – in die Tat um.
Das hört sich so leicht an. Steine stapeln. Doch eine Trockenmauer aufzubauen ist eine Kunst für sich. Dazu noch eine fast vergessene. Dabei sind Trockenmauern, besonders in Verbindung mit dem Weinbau, wichtige und schützenswerte Biotope. Mit den schwindenden Rebflächen werden allerdings auch Mauern, die diese wie steinerne Bänder durchziehen, immer weniger.
Die Technik, Steine locker aufzuschichten und ohne Mörtel zu verfugen, brachten einst vor rund 2000 Jahren die Römer nach Mitteleuropa. Und mit einfachem Stapeln ist es nicht getan. Die Steine müssen richtig gesetzt werden und auch der Neigungswinkel zum Hang spielt im Weinberg eine wichtige Rolle. Ebenso ist die Tiefe und Verankerung des Fundaments relevant. „Wenn es dann am Schluss auch noch alles harmonisch aussieht, darf man stolz sein“, ergänzt Sarah Hulten.
„Wo ist der Radlader?“
Bei der Sanierung der alten Trockenmauern aus Schieferbruchsteinen, wie es bei Sarahs Weinbergterrassen der Fall ist, gilt es zudem einiges zu beachten. Glücklicherweise steht der ambitionierten Jungwinzerin der erfahrene Helge Ehmann vom Weingut Schreiberlay an der Lahn zur Seite. „Vor vielen Jahren stand ich vor dem selben Problem wie Sarah. Zum Glück gab es jemanden im Dorf, der noch wusste wie es geht“, erinnert sich der Lahn Winzer und gibt nun sein Wissen über Trockenmauern gerne weiter.
Gemeinsam mit ihm und einigen Rebstockpaten, die tatkräftig mit anpackten, galt es unter anderem eine eingestürzte Mauerecke neu aufzubauen. Was sich durchaus als knifflig erwies, da viele der Steine gebrochen waren. „Der Landschaftsgärtner würde fragen: ‚Wo ist der Radlader?‘ Er hätte direkt neue und vor allem schöne Steine bestellt. Früher hatten die Leute dazu allerdings auch keine Möglichkeit. Sie mussten das Material nehmen, das sie vor Ort fanden. Sie hätten höchstens noch neue Steine direkt am Fels abgeschlagen“, weiß Ehmann und zeigt auf die steile Felswand direkt nebenan.
Eine weitere Schwierigkeit für die Leutesdorferin und ihre Helfer war es, die richtige Verankerung zur bestehenden Mauer zu schaffen. Doch den Widrigkeiten zum Trotz kann sich das Ergebnis sehen lassen: „Es ist uns gelungen, eine vorbildliche Ecke zu bauen“, freut sich Sarah darüber, die Herausforderungen gemeistert zu haben. „Nun gilt es, die alte Winzerregel einzuhalten. Diese besagt, dass die Trockenmauer zu meinen Lebzeiten nicht einstürzen darf. Ein hoher Anspruch, wenn man bedenkt wie jung ich doch bin“, lacht die 26-Jährige.
Zeitzeugen aus Stein
Dass die unscheinbaren Mauern richtig gebaut lange überdauern können, kann man auch im Weinberg von Sarah Hulten erkennen. Die Art wie die Mauern gebaut sind und deren Struktur verraten in der Steillage der Leutesdorferin viel über deren Geschichte.
„Mich fasziniert vor allem der alte Stil des Trockenmauerbaus mit den Steinen, die aus dem Weinberg selbst stammen. Dieses Bild möchte ich gerne erhalten“, erklärt die 26-jährige Leutesdorferin.
So stammen einige Mauerbereiche aus der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs (1618 – 1648). Damals wurden die Mauern überwiegend von Frauen ohne größere Hilfsmittel gebaut. Deshalb findet man in diesen Teilstücken viele kleinere Steine, die nur aus der unmittelbaren Umgebung und dem Weinberg selbst stammen.
Zudem vermutet die Jungwinzerin, dass einige Mauern aus der Zeit des Reichsarbeitsdienstes stammen. Diese Bereiche sind sehr akkurat und mit großen Steinen aus der weiteren Umgebung gebaut. Auch farblich hebt sich der öligere Schiefer von den älteren Mauerstücken ab.
Die jüngsten Mauerstücke wurden von der Arbeitsgemeinschaft (Arge) Kulturlandschaft Leutesdorf gebaut und sind teilweise nicht aus Schiefer.
Blöd für den Bau, fein für den Wein
Bei allen Herausforderungen, die durch den teils schon stark verwitterten Schiefer das Erneuern der Mauer erschweren – für den Wein gibt das einen schmackhaften Ausblick. Denn durch den hohen Schiefergehalt des Bodens erhält der Riesling erst seine unverwechselbare Mineralität. „Für mich ist der Riesling die Rebsorte, die am besten ihr Terroir, also Boden und Klima in dem sie gewachsen ist, widerspiegelt“, erklärt Sarah Hulten und fiebert ihrem Riesling schon entgegen.