POLCH-KAAN. -edb- Karinas Herz (47) schlägt heftig. Dennoch ist ihr die Aufregung nicht anzumerken, Während alles um sie herum im Freudentaumel versinkt, bleibt die Fotografin ruhig. Mit wenigen Klicks hält sie den Moment fest, von dem Menschen später sagen werden: „Es war der schönste Augenblick in meinem Leben.“
Karina Schuh ist Familienfotografin. Und ihr Job beginnt dort, wo Leben entsteht: im Kreissaal, ganz nah bei den werdenden Eltern. Ein Trend aus Amerika, der in Deutschland noch nicht richtig Fuß gefasst hat.
„Deutsche sind da zurückhaltender“, erzählt die graduierte Fotografin, die sich nach acht Jahren in den USA nun in Polch-Kaan niedergelassen hat.
Dass sie gerade im Kreissaal auf das verzichten muss, worauf sie sich spezialisiert hat, macht für sie den besonderen Reiz aus:
„Aus der Perspektive im Hintergrund ohne Licht und ohne Anweisungen zu fotografieren, ist schon eine technische Herausforderung“, gesteht sie.
Die hat sie aber schon mindestens 100 mal gemeistert. „Familienfotos sind bei Amerikanern top. An jedem Geburtstag und bei Familientreffen gibt’s ein Fotoshooting.“ Und Karina hat so manche Familie von Geburt an begleitet.
Karinas langer Weg in die Fotografie
Fünf Tage vor dem Mauerfall hatte die damals 19-Jährige der ehemaligen DDR den Rücken gekehrt.
„Wir waren jung, die Welt lag uns zu Füßen. Und wir wollten nicht im Osten bleiben“, beschreibt sie den Drang nach Freiheit und den Wunsch nach Selbstbestimmung, der ihr die Stärke und den Mut gab, ihre Heimat in Halle zu verlassen und in der BRD einen Neuanfang zu starten.
Der Weg in ihr neues Leben war nicht einfach, denn ihre Berufsausbildung „Facharbeiter für Schreibtechnik im Osten“ zählte lediglich als Schreibkraft. Aber Karina ließ sich nicht abschrecken, drückte wieder die Schulbank und wurde Fremdsprachensekretärin in Englisch und Französisch.
Und das sollte ihr später alle Türen öffnen: in der Raffinerie Leuna 2000, dann in der französischen Modefirma „Season’s Paris“ und später, 2009, in New Mexiko.
Mittlerweile war Karina verheiratet und Mutter eines sechsjährigen Sohnes – und langweilte sich in den USA. Eine Digitalkamera sollte Abhilfe schaffen.
Die erforderlichen Kurse an der Uni konnte sie aber nur mit einem High School-Abschluss belegen. Den machte sie kurzerhand, schrieb sich danach umgehend an der Uni ein – und legte damit den Grundstein für ihre Fotografenausbildung.
Im Mai 2013 graduierte sie und begann noch im gleichen Jahr als selbstständige Fotografin.
Licht und Schatten
Ihr Steckenpferd wird die Lichteinstellung aus drei unterschiedlichen Perspektiven. Detail- und technikverliebt verleiht sie so jedem Bild den besonderen Touch.
„Auch ein Ergebnis der lockeren Atmosphäre während des Shootings“, betont Karina. Denn Fotografieren bedeutet für sie, sich auf den Menschen einzulassen.
Das gilt auch für die Business-Fotografie, mit der sich Karina ein zweites Standbein aufgebaut hat. „Beim Portrait müssen die Schatten genau zusammenpassen“, erklärt sie und erzählt begeistert von den „Professional Photographers of America (PPA)“, deren strengen Vorgaben sie sich freiwillig ausgesetzt hat und mit deren endgültiger Zertifizierung sie noch in diesem Jahr rechnet. Die nächste Herausforderung heißt dann Europa.
Fotos: Schuh