MÜLLENBACH. -kat- Die Sonne ist untergegangen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sitzen um ein Lagerfeuer. Es wird gesungen, gelacht, erzählt. Der Laptop liegt zu Hause, das Handy ist jetzt uninteressant. Es zählt die Gemeinschaft. Hier darf jeder sein, was er ist. Nicht mehr und nicht weniger. Seit 20 Jahren kämpft der  „Carpe Diem“-Pfadfinderstamm Müllenbach-Laubach für dieses und andere Ideale. Der Gegenentwurf zur hektischen Ellbogengesellschaft feiert am 16. und 17. Juni seinen runden Geburtstag. AM WOCHENENDE sprach mit Stammesmeister und Mitbegründer Hans Schumann.

Die Idee des Pfadfindertums ist mehr als 100 Jahre alt, aber aktueller denn je. Einst ins Leben gerufen, um Jugendliche in ihrer Entwicklung und den Zusammenhalt unter ihnen zu fördern, gibt es bis heute deutschlandweit zahlreiche Anhänger des Gedankens. Hans Schumann hat die Faszination für diese Gemeinschaft vor 40 Jahren ergriffen. Damals war er selbst Teil eines Stammes. „Einmal Pfadfinder, immer Pfadfinder“, sagt er aus Überzeugung. Für ihn geht es um Respekt, um die Förderung individueller Fähigkeiten, um Freundschaft, Gemeinschaft und den Erhalt von Werten. „Jeder ist wichtig und jeder kann etwas besonders gut“, so der Stammesmeister. Und das ist eben nicht immer Fußball spielen oder musizieren.

Um dieses Thema ging es auch bei einem Geburtstag vor 20 Jahren. Was hat die Region rund um Müllenbach und Laubach eigentlich für Jugendliche zu bieten? Diese Diskussionsfrage stand im Raum. Die Antwort lautete: Eigentlich ziemlich wenig außer Musik und Fußball. Schumann, der schon in seiner alten Heimat Speicher eine Pfadfindergruppe geleitet hatte, kam mit dem Vorschlag eines neuen Stammes. Der wurde begeistert angenommen und recht schnell in die Tat umgesetzt – die Geburtsstunde des Stammes „Carpe Diem“, der Teil der Europäischen Pfadfinderschaft (EPG) Sankt Georg ist. 20 Gruppen (Sippen) und weit mehr als 400 Pfadfinder waren seitdem Teil der Gemeinschaft.

 

Raus in die Natur

Raus in die Natur: Für den Pfadfinderstamm "Carpe diem" zählt die Gemeinschaft – wie hier beim Pfingstlager.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aktuell sind es 140 Mitglieder. Sieben Sippen mit je zwei Leitern treffen sich einmal wöchentlich zum Spielen, Basteln, Singen, Erleben. Daneben gibt es zahlreiche Veranstaltungen und Touren – vom Pfingstlager bis zur Nikolausfeier. Das meiste findet in der Nähe statt, fürs Sommerlager geht es auch mal bis nach England, Frankreich oder ins Allgäu. Wann immer möglich, verbringen die Teilnehmer ihre Zeit draußen in der Natur, egal bei welchem Wetter. Ein Wert der EPG, der Erhalt der Natur, liegt Hans Schumann besonders am Herzen. Achtlos weggeworfener Müll im Straßengraben oder an Parkplätzen macht ihn wütend. Respekt für die Umwelt und für andere Menschen sowie die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen – das möchten er und seine Mitstreiter der Jugend mit auf den Weg geben. Dabei gilt auch der Vorbildcharakter.

„Wir sind keine Pädagogen“, sagt er, „sondern meistens nur Eltern, die selbst Kinder großgezogen haben.“

In diesem Fall sind es Eltern mit Idealen, die Projekte anstoßen und betreuen. Zu denen der vergangenen Jahre zählen beispielsweise der Waldlehrpfad zwischen Laubach und Masburg oder ein Biotop im Kaulenbachtal. Aber auch kleinere Aktionen wie der Kuchenverkauf für den guten Zweck oder das Rasenmähen eines Nachbarn hauchen dem Motto „Jeden Tag eine gute Tat“ Leben ein.
42 Wochenenden waren Kurt Schumann und seine Frau Dorothea im vergangenen Jahr mit und für den Pfadfinderstamm unterwegs. Sie opfern gerne ihre Freizeit. Urlaub im Hotel zu zweit gab es seit 20 Jahren nicht mehr. Luftmatratze statt Boxspringbett und Selbstgekochtes statt Buffet hieß es stattdessen. Einzige Ausnahme: 2017 erhielt Hans Schumann beim Voting „Glück sucht Bringer“ des Radiosenders RPR1 die meisten Stimmen und bekam eine Reise in die Karibik geschenkt. „Das war eine tolle Anerkennung für mich“, so der Müllenbacher.

 

„Das macht es aus“

Lagerfeuerromantik: Abends gemeinsam singen, das gehört beim Pfadfinderstamm „Carpe Diem“ einfach dazu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Warum er trotz des großen Zeitaufwands nie mit seinem Ehrenamt gehadert hat? Schumann macht es an einem Beispiel fest. Zurück am Lagerfeuer: Das Abschiedslied nach einem 14-wöchigen Sommerlager steht an, alle reichen sich die linke Hand („weil die von Herzen kommt“), singen zusammen „Nehmt Abschied Brüder“ („ganz theatralisch“). Jeder ist Teil der Gemeinschaft, der Zusammenhalt ist spürbar und Schumann blickt in glänzende Augen. „Das macht es aus“, sagt er. Auch Ehefrau Dorothea habe nie gezweifelt, obwohl sie zu Gründungszeiten doch erst einmal nur „Schnittchen schmieren“ wollte. Inzwischen ist sie Bundesvorsitzende der EPG. Mit Jochen Seibert kommt ein zweites Mitglied im Bundesvorstand aus Müllenbach. Zusammen mit vielen Engagierten und den Heranwachsenden machen sie den Stamm „Carpe Diem“ zu einer lebendigen Gemeinschaft.
Natürlich sind auch die Kinder der Schumanns als Pfadfinder aktiv. Das passt. Denn für den „Gründungsvater“ ist der Pfadfinderstamm mehr als ein Verein. „Er ist Familie“. Na dann: Gut Pfad!

 

 

Die Feier zum 20-Jährigen

Samstag, 16. Juni

Die Pfadfinder verwandeln den Müllenbacher Bolzplatz in einen urigen, gemütlichen Pub. Die Musik für die erste „Bolzplatz Pub Night“ liefert der „Alpaca Social Club“ mit Musik aus allen Ecken der Erde, interpretiert mit Klavier, Geige und Gitarre, Akkordeon und Bouzouk.

Sonntag, 17. Juni

Am Sonntag findet das traditionelle Pfadfinderfest statt. Mit Wortgottesdienst (10 Uhr), musikalischem Frühschoppen (11 Uhr), Spiel und Spaß, einem Pfadfindermuseum, dem Musikverein Müllenbach und Public Viewing zur Fußball-Weltmeisterschaft.

Shuttleservice

Im Umkreis von rund zehn Kilometern wird ein Shuttleservice eingerichtet. Am Samstag starten die Shuttles ab 18 Uhr, am Sonntag ab 9.30 Uhr.
Anmeldung dazu und weitere Informationen zum Fest unter: www.20jahre-carpediem.de

 

Fotos: Hommes / Pfadfinderstamm „Carpe Diem“