MAYEN. -edb- Es ist keine Enthüllungsgeschichte über Mayens berühmtesten Sohn der Stadt, mit der Regisseur Uli Weidenbach in seiner ZDF-Doku „Mario Adorf – eine Filmlegende“ am 29. April aufwartet, vielmehr ein tiefer Blick in die Seele eines Menschen, der seit Jahrzehnten auf der nationalen und internationalen Bühne zu Hause ist.

Seinen Vater hat Mario Adorf (87) nur einmal zu Gesicht bekommen, seine eigene Tochter hat Adorf nicht aufwachsen sehen. Offen und unverblümt spricht Deutschlands beliebtester Charakterdarsteller über seine kaum gelebte Rolle als Vater, über die Wiederholung von Geschichte, über Alter und Vergänglichkeit.

Auch Tochter Stella kommt zu Wort, ein ehemaliger Klassenkamerad und ein Jugendfreund berichten aus alten Mayener Zeiten.

Weidenbach, der mit seiner Familie in Ahrweiler wohnt und in den 90-ern Vertragsspieler für TuS Mayen war, wurde bekannt durch seine Fußballchoreografie im „Wunder von Bern“. Seit dieser Zeit dreht er Dokumentarfilme für ARD und ZDF.

Mit seinen Dokumentarfilmen öffnet Uli Weidenbach (51) eine verborgene Tür, hinter der sich Höhen und Tiefen eines menschlichen Lebens verbergen.

Genau diesen ganz privaten Raum will Uli Weidenbach betreten, ohne für den Zuschauer selbst präsent zu sein.

„In dem Moment, in dem man sich exponiert, ist die Schwelle zur Eitelkeit enorm gering“, gibt er im Gespräch mit unserer Zeitung AM WOCHENENDE zu bedenken.

„Außergewöhnliche Ding sollten für sich stehen.“

Und damit das gelingt, nimmt er Platz neben der Kamera, stellt von dort aus geschickt die Fragen und lenkt so den Blick des Interviewpartners unweigerlich auf sich, ohne dass der Zuschauer etwas davon bemerkt.

Und so folgt manch einer nüchternen Frage eine nach innen gerichtete Antwort, nicht beschönigt, emotional für den Zuhörer, erschreckend unemotional für den Befragten.

„Mensch Mario Adorf“

Mario Adorf erzählte Uli Weidenreich ganz persönliche Geschichten

Und so richtet sich auch bei Mario Adorf der Blick wie von selbst auf seine Kindheit und Jugend, seine Zeit als Shootingstar und seine kaum gelebte Rolle als Vater.

Weidenbach schafft es, den Schauspieler vom Menschen abzukoppeln, der keiner noch so persönlichen Frage ausweicht.

Unverblümt erzählt er seine Lebensgeschichte, beginnt mit Erinnerungen an den Krieg, an seine vaterlose Kindheit, hält sich selbst den Spiegel vor, wenn er von seiner Tochter und der fast schon zwanghaften Wiederholung der Geschichte spricht, und gibt Antworten auf Fragen nach Alter und Vergänglichkeit.

Vom Banker 
zum Regisseur

So ungewöhnlich wie seine Interviews, so ungewöhnlich ist auch Uli Weidenbachs beruflicher Werdegang.

Nach seinem Abitur 1986 absolvierte er bei der Deutschen Bank in Andernach eine kaufmännische Ausbildung, studierte anschließend BWL, VWL und Soziologie mit dem Abschluss Diplom-Kaufmann an der Universität Trier und an der Clark University in Worcester (USA), um festzustellen:

„Das ist es nicht.“

Ein Leben am Schreibtisch konnte er sich nicht vorstellen. Und weil er parallel zum Studium ein Praktikum beim lokalen Anzeigenblatt gemacht hatte, war er auf Tuchfühlung mit der schreibenden Zunft gekommen.

„Das hat mir weitaus mehr Spaß gemacht“, so Weidenbach rückblickend. „Aber auch das Reisen hat mir unter den Nägeln gebrannt.“ Doch seine Wünsche stellte er vorerst zurück, war er doch bei TuS Mayen und VfL Trier vertraglich gebunden.

Ab 1994 begab er sich auf große Tour durch Australien, Neuseeland und den Süd-Pazifik, unterbrochen durch seine dreijährige Tätigkeit bei der US-Nachrichtenagentur AP in Frankfurt, um dann seine Reise durch die Anden, Amazonien und in die Antarktis fortzusetzen.

Seine Erlebnisse hielt er in Reisereportagen fest. Derweil war Japan auf ihn als Fußball-Auswahltrainer aufmerksam geworden. Und Weidenbach sagte Ja zum Abenteuer in der Präfektur Kitayushu bei Nagasaki.

Und dann kam 
das Wunder von Bern

Uli Weidenbach war für die Torchoreografie beim "Wunder von Bern" verantwortlich

. . . Und dann kam das Angebot von Sönke Wortmann für das „Wunder von Bern“. Uli Weidenbach entwickelte die Choreografie für die fünf Torszenen des legendären Endspiels 1954.

Seine Detailkenntnis und sein akribisches Arbeiten sprachen sich rum. Als das ZDF einen Experten suchte, fiel der Name Uli Weidenbach.

Seit 15 Jahren ist er nun als Autor und Regisseur zeitgeschichtlicher TV-Dokumentationen für ARD und ZDF unterwegs.

Seine Filme graben das aus dem kollektiven Gedächtnis aus, was viele am liebsten vergessen möchten. Doch Weidenbach lässt ein Verdrängen nicht zu.

Seine Doku rührt in den Wunden des Terroranschlags der Olympiade 1972 in München, im ungeklärten Todesfall des CDU-Politikers Uwe Barschel, dem Geiseldrama von Teheran, der GSG 9 und der Enttarnung des „guten Nationalsozialisten“ Albert Speer als raffgierigen kriminellen Kunsträuber.Uli Weidenbach mit Sönke Wortmann

5 Jahre für 45 Minuten

„Für 45 Minuten Ausstrahlung brauche ich für Recherche und Dreh zwischen drei Monaten und fünf Jahren“,

überschlägt Weidenbach grob den Einsatz, den er für seine Geschichten einkalkulieren muss.

„Ich muss erst einmal Nähe schaffen und Vertrauen aufbauen“, so der 51-Jährige.

„Um einen Menschen kennen zu lernen, brauche ich Zeit. Wie viel, bestimmt immer der andere.“ Und dann gilt für ihn, den Menschen, der seine Geschichte relativ ungeschützt einem breiten Publikum erzählt, der Öffentlichkeit nicht auszuliefern.

„Ich sehe mich als Medium“, so Weidenbach. „Nicht als Richter oder Staatsanwalt.“

„Fußball hat mich
 sozialisiert“

Die Fähigkeit, gemeinsam mit Menschen unterschiedlicher Herkunft auf ein Ziel hinarbeiten zu können, habe er dem Fußball zu verdanken.

„Ich war Einzelkind und bis zu meinem 15. Lebensjahr hochgradiger Asthmatiker. Fußball hat mich sozialisiert“, sagt er.

Im Team lerne man Loyalität, Vertrauen, seine eigenen Stärken und Schwächen und das Gespür für den anderen. „Gemeinschaft ist wichtig“, sagt Weidenbach, der noch bis vor zwei Jahren in der Traditionsmannschaft des TuS Mayen gespielt hat.

„Mario Adorf – eine deutsche Filmlegende“ wird am Sonntag, 29. April, um 23.30 Uhr im ZDF ausgestrahlt.